Der raue Norden – Allein unter Indern in Ahmedabad

29 11 2011

Am Freitag, den 25.11. verließen wir endgültig den Süden Indiens und flogen von Bangalore nach Ahmedabad, welches mit 4,52 Mio Einwohnern die grösste Stadt des weniger touristischen Bundesstaates Gujarat ist. Im Süden wurden uns schon eine Menge Geschichten über den rauen Norden Indiens erzählt. Es solle dort noch voller und hektischer sein, die Leute versuchen viel stärker als im Süden, die Touristen abzuzocken. Die Traditionen seien strenger und das Kastensystem noch ausgeprägter als im Süden. Wir waren also gespannt was uns erwarten würde und hielten die Tasche mit den Wertsachen noch fester als sonst umklammert, als wir das Flughafengebäude verließen. Mit einem Taxi ging’s wie immer zunächst zum Hotel, was diesmal wieder eine gute Wahl war. Und wie so oft liefen wir erst einmal drauf los, um die nähere Umgebung des Hotels zu erkunden und die fußläufigen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Der Spießroutenlauf begann also von neuem und anders als bisher war, dass in Ahmedabad tendenziell eher weniger Touristen anzutreffen sind (während unseres zweitägigen Aufenthalts sind wir gerade mal drei Westlern auf der Straße begegnet) und wir von allen Seiten wie bunte Hunde angestarrt wurden.  Daran muss man sich erstmal gewöhnen! Lustig ist auch, dass man hier ganz oft gefragt wird, ob jemand ein Foto mit uns machen darf. Am Anfang haben wir uns etwas gesträubt, aber dann entschieden, dass es nur fair ist, wenn uns die Inder auch ablichten dürfen, denn wir machen es ja genauso mit ihnen. Wir machen uns dann einen Spaß daraus und antworten: „Wenn Du mir 50 Rupies gibst, darfst du ein Foto machen.“ So läuft das ja auch andersrum. Ab und an wird man aber auch ohne zu fragen ganz ungeniert abgelichtet, das ist dann nicht mehr so nett. Aber wir nehmen es mit Humor und auch Geduld, wenn eine gesamte Familie einzeln mit uns aufs Bild will und so schonmal ein paar Minuten vergehen, bis alles im Kasten ist :-).
Die Sehenswürdigkeiten in der Altstadt Ahmedabads wurden im Reiseführer  hoch angeprießen, haben uns letztlich jedoch leider enttäuscht. Vieles war total heruntergekommen und weniger spektakulär, als beschrieben. Somit kehrten wir am ersten Tag wenig beeindruckt (Anmerkung Robbe: ohne Fotos!!! 🙂 ) und einfach nur müde ins Hotel zurück. Der zweite Tag in Ahmedabad entschädigte uns allerdings komplett für den Ersten! Wir nahmen uns ein TukTuk mit Führer, um weiter entfernte Sehenswürdigkeiten zu erkunden und fuhren zuerst zu einem Stufenbrunnen – Dada Hari Wav. Beeindruckend! Dada Hari Wav ist eine Brunnenanlage, die 1499 errichtet wurde. Man steigt ca. 4 Ebenen nach unten, bis man einen kleinen, achteckigen Brunnen erreicht ( der im Moment jedoch ausgetrocknet ist). Selbst an den heißesten Tagen ist es unten kühl und irgendwie gespenstisch. Auch hier wieder weit und breit keine Touristen bis auf ein indisches Pärchen, was nach uns den Abstieg wagte. Gleich nebenan befindet sich eine Moschee, wo uns ein kauziger, zahnloser Alter zuerst herumgeführt und im Anschluss stolz ein Bündel Geldscheine aus aller Welt gezeigt hat. Den Wink mit dem Zaunspfahl haben wir verstanden und ihm auch ein paar Rupies in die Hand gedrückt.
Danach ging’s zum Sabarmati-Ashram, der während des indischen Unabhängigkeitskampfes das Hauptquartier Mahatma Ghandis war. Die Ausstellung zu Ghandis Leben und Weltanschauung war beeindruckend und viele seiner Zitate sind noch heute brandaktuell!  Letzte Station unserer TukTuk-Rundfahrt war der Kankaria-See, ein künstlicher See mit Minieisenbahn, Zoo und Essenständen. Wohl mehr als die Tiere im Zoo wurden wir von allen Seiten beäugt – kein Wunder, denn wir waren weit und breit wieder mal die einzigen Weißhäutigen. Aber nicht, das falsche Vorstellungen aufkommen: Die meisten Leute sind freundlich und wohlgesonnen, es wird gegrüsst, das typischen indische Kopfnicken angewandt und gelächelt – wir haben uns immer wohl und sicher gefühlt! Danach ging’s zurück zum Hotel und zum krönenden Abschluss unseres Ahmedabad-Besuches am Abend auf die wunderschöne Dachterrasse des besten Restaurants der Stadt, wo wir ein leckers Thali-Menü genossen haben. Thali-Menüs sind rein vegetarische Menüs, die aus vielen verschiedenen herzhaften und süßen Speisen in kleinen Portionen bestehen, die zusammen serviert werden. Dazu gibts Roti oder Nan (beides Brotsorten) und Reis. Thalis sind typischerweise „All you can eat“ Gerichte, dh die Kellner kommen immer wieder mit ihren gußeisernen Töpfen vorbei und füllen die kleinen Schalen solange auf, bis man das Gefühl hat zu platzen 🙂 Aufgrund der Vielfalt der Geschmacksrichtungen eines Thali-Menüs könnten wir es nicht wie andere indische, mittlerweile Leibgerichte jeden Tag essen, aber in Ahmedabad war es in jedem Fall sehr lecker!
Zum Abschluss noch einige interessante Fakten zum Bundesstaat Gujarant: Die meisten Menschen hier sind strenggläubige Jainisten, die glauben, dass Erlösung durch die völlige Reinheit des Geistes erreicht werden kann. Dabei ist Rechtschaffenheit und absolute Gewaltlosigkeit gegenüber allem Lebenden im Denken und Handeln von großer Bedeutung. Streng gläubige Jainisten haben  daher nur ein Minimum an Besitztümern, darunter einen Besen, mit dem sie den Weg vor sich kehren, um ja nicht auf ein Lebewesen zu treten, und ein Stück Tuch vor dem Mund, um nicht versehentlich ein Lebewesen einzuatmen. Klingt für uns befremdlich, ist aber Realität in Indien. Aufgrund der Religionsangehörigkeit sind in Gujarat 90% der Menschen Vegetarier und es gibt (leider, leider :-)) ein Alkoholverbot….Wir haben zwar gelesen, dass es irgendwie möglich sein soll, eine Genehmigung zu kaufen, Alkohol in bestimmten Läden zu erwerben, aber unser Thali mussten wir dann leider ohne ein schönes Glas Wein oder Bier genießen.
Trotzdem gings danach satt und zufrieden zum Bahnhof, wo uns der Nachtzug in einem abschließbaren Abteil mit Betten nur für uns in 9 Stunden weiter Richtung Norden nach Udaipur brachte. Wir hatten zwar das Abteil mit der am lautesten dröhnenden Klimaanlage erwischt und wurden regelrecht durchgeschüttelt auf unseren Pritschen, aber kamen wesentlich entspannter als in der Sleeper Class pünktlich um 8 Uhr am nächsten Morgen im wunderschönen Udaipur an! Dazu bald mehr…

Coming next: Wunderschönes Udaipur!

P.S. Den Ersten, der hier auch mal was kommentiert, bringen wir was Schönes von der Reise mit! Also loooooss!!! 😉



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2 Antworten zu “Der raue Norden – Allein unter Indern in Ahmedabad”

  • Sina sagt:

    Es fällt mir wirklich sehr schwer Euren Blog zu lesen…ich habe großes Fernweh nach Indien!!!!!!
    Ich werde hier aber trotzdem fleissig weiter lesen:-)
    Viel Spaß Euch noch!

  • rh2011 sagt:

    Sinaleini, sei nicht traurig. Der nächste Urlaub nach Indien kommt bestimmt 🙂
    Viele Grüße von Heike & Robbe.

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